Tagesexkursion an jüdische Orte im Landkreis Main-Spessart, 28.09.2014
Die siebte Exkursion des Kooperationsprojekts „Landjudentum in Unterfranken“ führte am Sonntag, den 28. September 2014 in den Landkreis Main-Spessart. Besucht wurden Laudenbach (Stadt Karlstadt), Urspringen und Karbach. Mit 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war die Exkursion sehr gut besucht.
In Laudenbach existierte bis in das Jahr 1942 eine jüdische Gemeinde, deren Spuren bis in das 16. Jahrhundert zurückreichen. Die Laudenbacher Synagoge stammt möglicherweise aus dem 17. Jahrhundert, lässt sich aber nicht genau datieren. Rein äußerlich sticht sie nicht aus der Bebauung der übrigen Nachbarschaft heraus: Archivmaterial bestätigt, das beim Bau bewusst darauf geachtet wurde, dass sich die Synagoge optisch nicht von den übrigen Häusern unterscheidet. Sie ist die älteste nicht-sanierte Synagoge in Unterfranken und verfügt trotz ihrer Zweckentfremdung nach dem Krieg, hier wurde sie als Abstellgebäude für landwirtschaftliche Geräte genutzt und ein entsprechend größeres Eingangstor eingebaut, über ihre alte Grundsubstanz. Sakrale Gegenstände sind leider nicht mehr vorhanden, beim Novemberpogrom 1938 wurden das Innere der Synagoge sowie alle rituellen Gegenstände zerstört.
Georg Schirmer, 1. Vorsitzender des Fördervereins ehemalige Synagoge Laudenbach e.V., führte durch die Synagoge, in der derzeit auch eine kleine Ausstellung zur Rolle der jüdischen Frau (erarbeitet vom Förderverein) gezeigt wird. Nach dem Chuppastein, dem sogenannten Hochzeitsstein, an welchem bei jüdischen Hochzeiten ein Glas zerschmettert wird, um an die Zerstörung der zwei Tempel zu erinnern, führte Herr Schirmer die Gruppe durch den Ort. Vorbei am „Judenhof“, der Mikwe, der Mazzenbäckerei und ihrer Mühle gelangte die Gruppe zum jüdischen Friedhof, der um 1600 auf einer Anhöhe am Waldrand angelegt wurde.
Hier übernahm Georg Schnabel das Programm und berichtete aus der Geschichte des orthodoxen Verbandsfriedhofs ebenso wie über allgemeine jüdische Trauertraditionen, wie das Ablegen von Steinen auf jüdischen Grabsteinen. Diese Geste bedeutet „Ich bin bei dir!“ und geht auf zwei Auslegungen zurück, die beide fest im Judentum verankert sind: Zum einen steht die Geste für den Auszug aus Ägypten, zum anderen für die Zerstörung beider Tempel.
Nach einer Pause in Laudenbach wurde die ehemalige Synagoge Urspringen angesteuert. Hier führte der Historiker Dr. Leonhard Scherg. Wie in Laudenbach auch, reicht in Urspringen die Entstehungsgeschichte der jüdischen Gemeinde bis in das 16. Jahrhundert zurück. Eine erste Synagoge wurde im 17. Jahrhundert als kleiner Fachwerkbau errichtet, an dessen Stelle um das Jahr 1803 eine neue Synagoge im frühklassizistischen Stil trat. Diese blieb bis zum Novemberpogrom im Jahr 1938 Zentrum des jüdischen Gemeindelebens im Ort.
Im Gegensatz zur Laudenbacher Synagoge grenzt sich die in Urspringen architektonisch auffällig von ihrer Umgebung ab. Die Eingangstür war ursprünglich größer, nach der Reichspogromnacht wurden auch hier landwirtschaftliche Geräte untergebracht und ein entsprechend größerer Eingang eingebaut. Trotz der Zweckentfremdung wirkt die Synagoge verhältnismäßig geschlossen und intakt. In den Jahren von 1989 bis 1991 wurden Renovierungen durchgeführt. Das unpassende Tor wurde gegen eine durch den Darmstädter Künstler Cornelis F. Hageboom gestaltete Tür ausgetauscht, welche an die Deportationswege der Urspringer Juden erinnert. Zweiundvierzig Juden wurden damals aus Urspringen deportiert.
Bereits hier wird die erste Funktion der Synagoge deutlich: Sie ist eine Gedenkstätte. Zugleich dient sie auch als Museum, welches die Geschichte des unterfränkischen Landjudentums am Beispiel Urspringen erläutert und (auf der Frauenempore) Genisa-Funde präsentiert. Hierbei handelt es sich um gut verwahrte liturgische Schriften und weitere sakrale Gegenstände, die bei der Reichspogromnacht übersehen wurden – damals stürmten Nationalsozialisten auch die Urspringer Synagoge, zerstörten ihr Inneres und verbrannten die heiligen Schriften.
Die jüdische Geschichte in Karbach beginnt im 17. Jahrhundert mit der Entstehung einer jüdischen Gemeinde, die dort bis in das Jahr 1942 existierte. Bürgermeister Bertram Werrlein begrüßte die Gruppe auf dem Marktplatz und gab eine Einführung zu historischen und aktuellen Gegebenheiten des Ortes. Anschließend übernahm Josef Laudenbacher die Führung.
Auf dem Karbacher Marktplatz befinden sich zwei Zeugen lokaler jüdischer Geschichte: Das Rathaus war früher die Synagoge, heute erinnert eine Gedenktafel an das jüdische Erbe. Direkt daneben stand die Mikwe, das rituelle Bad. Über ihren sichtbaren Fundamenten wurde ein Informationspavillon errichtet, der den geschichtlichen Hintergrund liefert.
Abschließend besichtigte die Gruppe den jüdischen Friedhof von Karbach, der sehr versteckt im Wald gelegen ist. Ein eigener Friedhof wurde hier spätestens seit dem Jahr 1812 angestrebt, war aber umstritten. Zuvor wurden die Karbacher Juden traditionell in Laudenbach beigesetzt. Die erste Beisetzung in Karbach erfolgte im März 1819, die letzte Belegung fand im Jahr 1938 statt. Von den etwa 340 vorhandenen Gräbern sind einige Grabsteine besonders schön verziert. Hier finden sich auch klassische Motive, wie zum Beispiel die Levitenkanne oder die segnenden Priesterhände. Beide stehen für je einen bedeutenden jüdischen Stamm: Die Kanne für den Stamm der Leviten, die Priesterhände für den der Kohanim.
Einmal mehr diente auch diese Exkursion dazu, Interessierten die Möglichkeit zu bieten, die sichtbaren Spuren jüdischer Geschichte im Raum Unterfranken kennen zu lernen. Bislang wurden Ausflüge in die Landkreise Haßberge, Würzburg und Main-Spessart, sowie in die Stadt Aschaffenburg und den Raum Schweinfurt unternommen. Exkursionen erfüllen für das Kooperationsprojekt jedoch zugleich die Funktion, die Grundlagen für eine touristische Erschließung des Themas zu leisten und zu erproben. Deren weiterer Konzeption, sei es in Gestalt von Themenwegen, Broschüren oder App’s, wird die nächste Sitzung des AK Landjuden im November 2014 gewidmet sein. Eine weitere Exkursion in den Landkreis Kitzingen soll am 16. November 2014 stattfinden.