Zweite Tagesexkursion an jüdische Orte im Landkreis Haßberge, 10.10.2012

Außenansicht der ehemaligen Synagoge Memmelsdorf, Foto: Rebekka Denz
Chuppastein, Memmelsdorf: Foto: Rebekka Denz
Blick von der Frauenempore in den Betsaal, Foto: Jesko Graf zu Dohna
Genisafund in der Synagoge Memmelsdorf, Foto: Inge Scheffler
Auf dem jüdischen Friedhof Ebern, Foto: Rebekka Denz
Karte der in Ebern bestattenden jüdischen Gemeinden, Foto: Rebekka Denz
Grabsteine, Friedhof Ebern, Foto: Rebekka Denz
Grabstein des Ehepaares Morgenthau, Friedhof Ebern, Foto: Inge Scheffler
Ein Steinmetzzeichen entdeckt, Friedhof Burgpreppach, Foto: Rebekka Denz
Ehemalige Präparandenschule Burgpreppach, Foto: Rebekka Denz
Im Archiv von NatFam, Foto: Rebekka Denz
Anschauungsmaterial der Präparandenschule Burgpreppach, Foto: Rebekka Denz

Die zweite Tagesexkursion durch den Landkreis Haßberge fand am Mittwoch, 10. Oktober 2012 statt. Die Exkursionsroute verlief von Memmelsdorf/Ufr. und Ebern bis nach Burgpreppach.

Die Exkursion begann um 11 Uhr mit der Abfahrt des Reisebuses am Bahnhof Haßfurt nach Memmelsdorf/Unterfranken. Hier wurde die Gruppe in der Nähe der ehemaligen Synagoge von Hansfried Nickel begrüßt. Der erster Vorsitzender des Förder- und Trägervereins der Synagoge Memmelsdorf begann seine Erläuterungen mit dem Hinweis, dass sich die ehemalige Synagoge von den anderen Gebäuden am Ort allein durch ihre Dachform, dem einzigen Walmdach im Ort, abhebt. Vor dem einstigen Sakralgebäude angekommen führte Herr Nickel in die Geschichte der jüdischen Gemeinde und Synagoge ein und wies auf den gut erhaltenen und ansprechend gestalteten Chuppastein hin. Der Chuppastein, zu  Deutsch Hochzeitsstein, ist eine besondere Tradition des ländlichen Judentums im süddeutschen Raum, nur wenige von ihnen sind bis heute erhalten. Das ehemalige jüdische Gotteshaus befindet sich seit 1996 im Besitz des Träger- und Fördervereins. Es wurde umfangreich saniert und ist seit der Eröffnung 2004 ein viel frequentierter Lernort der jüdischen Geschichte. Das besondere Instandsetzungs- und Nutzungskonzept in Memmelsdorf besteht darin, dass das Innerere des Gebäudes nicht rekonstruiert, sondern die baulichen Spuren aller Nutzungsperioden konserviert wurden. So findet der heutige Besucher vielfältige Spuren der baulichen Nutzung sowohl als jüdisches Gebets- und Versammlungshaus von 1728 bis in die Zeit des Nationalsozialismus als auch nach mehrfachen Umbauten als Hobbytischlerei und Wohnhaus nach 1945. Doch die Reisegruppe wurde von Hansfried Nickel nicht nur umfassend informiert, sondern eingeladen, sich selbst auf Spurensuche zu begeben. Die Synagoge Memmelsdorf verfügt über ein ausgefeiltes museumspädagogisches Konzept für Alt und Jung. Tatkräftig überzeugten sich die Teilnehmer mit Hilfe der verfügbaren Materialien von diesem schlüssigen Konzept. Nach getaner selbständiger Spurensuche im ehemaligen Betsaal wurde der 90minütige Rundgang durch den Besuch in den Informations- und Ausstellungsräumen und im Seminarraum fortgesetzt.

Gegen 14 Uhr startete die zweite Führung der Tagesfahrt durch Herrn Nickel über den jüdischen Friedhof in Ebern. Die jüdische Begräbnisstätte wird 1633 erstmals in den Quellen erwähnt, das letzte Begräbnis fand vermutlich 1910 statt. Auf dem Bezirksfriedhof wurden im 17. und 18. Jahrhundert die Toten der jüdischen Gemeinden Maroldsweisach, Autenhausen, Altenstein, Pfarrweisach, Kraisdorf, Memmelsdorf, Untermerzbach, Gleusdorf, Reckendorf und zunächst auch Burgpreppach bestattet. Der Friedhof wird von der Projektgruppe „Jüdischer Friedhof Ebern” des Instituts für Jüdische Studien an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf wissenschaftlich bearbeitet. Im Rahmen der Projektarbeit wurden alle Grabsteine bereits hochwertig fotografisch dokumentiert sowie die Inschriften nach und nach gelesen und übersetzt. Die Wanderausstellung "Die Steine auf dem Paradies. Zeugen jüdischen Lebens im ländlichen Franken", ein Rundgang in Form einer Broschüre und Begleitmaterial für Führungen wurden erarbeitet. Herr Nickel griff bei seiner Führung auf diese Materialien zurück und verdeutlichte anschaulich am Beispiel ausgewählter Grabsteine, welch reichhaltige Informationen über die jüdische Geschichte sich hinter den Inschriften verbergen und nach dem Entschlüsseln und Übersetzen für uns bereit halten.

Die nächste und letzte Station der rund 20köpfigen Reisegruppe war Burgpreppach. Nach der Begrüßung durch Frau Heidi Flachsenberger, Frau Gerda Wenzlow (beide NatFam, Burgpreppach) und dem zweiten Bürgermeister Helmut Schwappach startet Frau Flachsenberger ihre Führung durch die reiche jüdische Lokalgeschichte am Kriegerdenkmal. An diesem Platz in unmittelbarer Nähe des Schlosses stand bis zur Reichspogromnacht 1938 die Synagoge, an die heute nur noch ein Gedenkstein erinnert. Die Gruppe ging weiter auf den jüdischen Friedhof, der 1708 angelegt wurde. 398 Grabsteine sind heute noch sichtbar, 1939 fand die letzte Beerdigung statt. Der Weg führt zurück in den Ort, entlang der Hauptstraße wohnte die Mehrzahl der Juden. Die ersten Juden kamen nach dem Dreißigjährigen Krieg, als Fuchs von Bimbach den ersten Juden aus der Würzburger Region hier die Ansiedlung gestattete. Burgpreppach war insbesondere im 19. Jahrhundert ein Zentrum jüdischen Lebens. Die Gebäude der ehemaligen Mazze-Bäckerei und der Präparandenschule zeugen von der einstigen Bedeutung. Zum Abschluss des Spaziergangs durch Burgpreppach führten die beiden Lokalhistorikerinnen der NatFam die Exkursionsgruppe in ihr umfangreiches und wohl sortiertes Archiv und den Ausstellungsraum. Ordner mit genealogischen Informationen über die einstigen jüdischen Bewohner lagen zur Ansicht bereit. Auch das Lehrmaterial der Präparandenschule vom Beginn des 20. Jahrhunderts wurde sehr interessiert von den Besuchern in Augenschein genommen. 

Gegen 17.30 erreichte der Reisebus den Startpunkt am Bahnhof Haßfurt.
Die Journalistin Beate Dahinten begleitete die Exkursionsgruppe. Ihr ausführlicher Artikel "Die Grabsteine erzählen Geschichte" wurde in der Main Post veröffentlicht.

96190 Untermerzbach/Memmeldorf
96106 Ebern
97496 Burgpreppach
Start: 
Mittwoch, 10. Oktober 2012